Realschüler Niklas Drüeke über seine Zeit in Japan

Wenn Taifune und Erdbeben zum Alltag gehören

Realschüler Niklas Drüeke verbringt Austauschzeit in Japan. In den Herbstferien geht es wieder nach Asien

WP vom 13.04.2017 von Alexander Bange
Balve. Zu Hause. Sauwetter. Die erste Erkältung. Am liebsten hätte sich Niklas Drüeke wieder in ein Flugzeug gesetzt und wäre zurückgeflogen. In ein Land mehr als 9300 Kilometer Luftlinie von seiner Heimat entfernt. Da, wo sich der 16-Jährige die vergangenen zehn Monate so wohl gefühlt hat. Trotz Taifunen, trotz Erdbeben. In Chiba, Japan.

Niklas Drüeke ist der erste Jugendliche der Realschule Balve, der ein Austauschjahr in Japan absolviert hat. Entstanden aus einer Schnapsidee. Als 15-Jähriger surft er im Internet, macht sich über Schüleraustausche schlau und landet bei der Organisation „YFU“. Er schreibt eine Bewerbung und wird zum Vorstellungsgespräch nach Münster eingeladen. Weder er, noch seine Eltern rechnen bis zu diesem Zeitpunkt mit einer Zusage. „Wir hatten nicht gedacht, dass es funktioniert“, erzählt Mama Drüeke.

Von Wien nach Tokio

Wenige Monate später, am 21. März 2016, sitzt ihr Sohn Niklas im Flugzeug. Von Düsseldorf aus geht es mit 35 weiteren Austauschschülern nach Wien, 14 Stunden später landen Niklas und Co. in Tokio.
„Es war super-aufregend“, erzählt der Jugendliche aus Küntrop über die ersten Tage. „Eine andere Welt.“ Das fängt mit der Uhrzeit an. Die Differenz zur Mitteleuropäischen Zeit beträgt acht Stunden vor (Winterzeit). Niklas kommt die ersten fünf Tage mit den anderen Austauschschülern und ehrenamtlichen Mitarbeitern im Olympia-Center in Tokio unter. Dort werden die Jugendlichen behutsam auf das Leben in dem ostasiatischen Staat mit mehr als 126 Millionen Menschen vorbereitet, organisatorische Inhalte geklärt, erste Sprachübungen absolviert. Dann fährt Niklas mit dem Zug nach Inzai Shi, in die Präfektur Shiba, zu Familie Hayashi. Das Abenteuer geht weiter.
„Ich bin gut mit meiner Gastfamilie klar gekommen“, erzählt Niklas zurück in Deutschland. Anfangs verständigt er sich mit seiner Gastschwester und seinem Gastbruder auf Englisch, „schrittweise sind wir ins Japanische gewechselt“. Der Realschüler ist überrascht, wie zügig das gegangen ist. Wohl auch, weil der Schulalltag in Japan weitergeht. „Wenn man rund um die Uhr von Japanern umgeben ist, auch im Alltag, klappt die Sprachumstellung schneller als gedacht.“
Der erste Tag in der Sakura Highschool sorgt dennoch für Herzklopfen. Niklas muss sich vorstellen, auf Japanisch, vor 1000 anderen Schüler/innen und 40 Lehrern.

Oft erst um 20.30 Uhr im Gasthaus

Der Realschüler gewöhnt sich mehr und mehr an den neuen Alltag in Asien, der hauptsächlich in der Highschool stattfindet. Von 8 bis 16.30 Uhr ist Unterricht, danach schließt sich Niklas Drüeke einem Rugbyteam an. Um 20.30 Uhr ist er oft erst im Gasthaus, „europäischen Häusern sehr ähnlich, aber viel, viel kleiner“. Die Tage sind lang, „und anfangs habe ich gedacht, ob ich das fast ein Jahr schaffe?“ Aber weil er schnell in der Klasse integriert ist, die Japaner ihm gegenüber aufgeschlossen sind, vergehen die unsicheren Momente. „Nach vier, fünf Wochen habe ich immer seltener an Deutschland gedacht“, erzählt Niklas Drüeke kess. Telefonieren oder Skypen sollen die Austauschschüler auch nur einmal im Monat mit ihren Familien. Der 16-Jährige aus Küntrop hält sich an die Vorgabe.

Tsunami-Warnung

Niklas Drüeke erlebt mehrere Taifune, verbunden mit Schulausfällen, und in Japan fast zum Alltag gehörende Erdbeben. Eines, am 26. November 2016, jagt ihm einen Schrecken ein. „Es erreichte auch bei uns noch die Stärke 4,2. Alles wackelte, Gegenstände flogen herum, Sachen fielen aus den Schränken.“ Über eine App werden die Menschen in Japan vor Erdbeben oder Tsunamis gewarnt. Apropos Tsunami: Wegen einer entsprechenden Warnung verbringen Niklas Drüeke und seine Mitschüler einige Stunden vorsichtshalber auf dem Schuldach.
Seit dem 7. Januar ist Niklas Drüeke zurück. In der Realschule Balve, wo er die 9. Klasse wiederholt. „Wenn ich die Möglichkeit dazu hätte, erneut nach Japan zu fliegen, würde ich es noch mal machen“, sagt der 16-Jährige. „Es war eine tolle Erfahrung.“ So toll, dass er in den Herbstferien seine neuen Freunde in Japan besuchen will. Und voraussichtlich im September werden die Drüekes die Gastfamilie einer jungen Japanerin sein.

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